Timor Leste
Der anderthalb Stunden Flug von Darwin nach Dili in East Timor wird mit der wohl kleinsten Maschine im Internationalen Flugverkehr durchgefuehrt. Gerade mal 30 Sitze hat das Flugzeug und entsprechend schwierig ist es, unsere zwei Velos im Bauch des kleinen Huepfers unterzubringen. Von oben vermittelt Timor einen entzueckenden Eindruck: idyllische Straende, eine wenig befahrene Kuestenstrasse und in der Mitte eine beeindruckende Gebirgswelt mit bis zu 3000 Meter hohen Gipfel und engen, fruchtbaren Taelern. Scheinbar unbewohnt .. denken wir noch.
Welcome to Paradise
Mit dem Immigrationprozedere nimmt man es hier nicht so streng. Noch ohne Visum wird Gaets von einem der Flughafenangestellten fuer den Gang zur Toilette in einen Hinterhof geschickt. Dafuer kassieren sie aber in einer Selbstverständlichkeit die 30 Dollar, die wir fuer das Visum on Arrival hinblaettern. Touristen sind hier gern gesehn und ziemlich selten, wie wir spaeter feststellen. Dennoch, Kevin, ein Velofahrer aus Tasmanien, kommt mit uns an. Nachdem unsere Velos zusammengebastelt sind, uebernimmt er die Fuehrung fuer die kurze Fahrt ins Stadtzentrum.
Auch zu Boden verzaubert mich Timor Leste. Eine Wohltat fuer meine Sinne, die sich in Australien in einen ‘Winterschlaf’ verzogen haben. Frucht- und Gemuesemärkte, quirliger Verkehr, fröhliche Gesichter und Schulkinder ueberall. Hier pulsiert das Leben wieder, yeah.
Dili, die Stadt der UNO aaaeh des Friedens
Je näher wir jedoch dem Zentrum kommen, desto mehr werden die Strassen dominiert von voluminösen, weissen UNO Pickups, NGO Jeeps, Fahrzeugen der UN und Timor Police . Darin sitzend in Freizeitkleidung Howdy-Australier, upper class Timorese, Malaysier, Franzosen .. oft mit der ganzen Familie, bereit fuers Strandpicknick oder den Ausflug in die kuehlen Berge. Wir sehen diese Fahrzeuge spaeter bei unserer Rundreise um die Insel oft. Ausserhalb von Dili haben wir aber selten einen Auslaender ausserhalb seines Fahrzeugs oder Unterkunft gesehen, was uns vermuten laesst, dass sie wohl den Kontakt mit der Landbevoelkerung meiden. Sowieso, was machen die vielen UN Leute eigentlich hier? Weder UN Angestellte, NGO Arbeiter noch die Einheimischen koennen uns diese Frage wirklich beantworten. Es geht wohl darum, Praesenz zu markieren. Und da dies ziemlich langweilig ist, werden die Muskeln gestaehlt und am Wochenende am Stadtstrand zur Schau gestellt.
Marktpreise, der Dollar und die Wirtschaft
Nicht nur sorgt die UN Praesenz fuer ein Wildwest Ambiente, sondern sie stuerzt das kleine Land in eine – meiner Meinung - hoechst ungesunde Wirtschaftslage. Waehrend das Durchschnittseinkommen auf dem Land rund ein Dollar pro Tag betraegt, mieten die UN- und Hilfswerkler schon mal ein Haus fuer 3000 Dollar pro Monat, residieren an Wochenenden in einer alten Portugiesischen Pousada fuer 60 Dollar die Nacht oder dinieren in den eigens für sie bereitgestellten Beachretreats. Natürlich haben wir auf unserer Reise schon einige Laender mit einer Zweiklassengesellschaft gesehen. Immer aber war Infrastruktur wie Einkaufsmöglichkeiten, Unterkuenfte und Restaurants für alle Klassen vorhanden. Hier aber kostet die günstigste Unterkunft 10 Dollar pro Person, ein Nasi Goreng im Dorfrestaurant 2 Dollar und in Supermärkten herrscht Australisches Preisniveau. Sogar die Einheimischen ziehen auf dem Markt US Dollars aus der Tasche. Dass sich diese Fremdwährung für ein Drittweltland nicht eignet, zeigt sich auf dem Lebensmittelmarkt. Anstelle von Kilopreisen herrscht hier der Dollarpreis. Dies bedeutet, dass nicht 1 kg Reis fuer einen bestimmten Preis gehandelt wird, sondern man reicht 1 US Dollar ueber den Ladentisch und fragt, wieviel Blechdosen Reis man dafuer bekommt. Richtig gelesen, es ist das erste Land, das wir bereisen, in dem nicht mit Masseinheiten verhandelt wird. Preisvergleiche sind so nicht möglich. Wie uns ein Gespräch mit einigen Agrarwissenschaftlern bestätigt, haben die Bauern oft selbst keine Ahnung, wieviel sie für ein bestimmtes Gut verlangen können. Shopbesitzer, im abgelegenen Süden des Landes, vergessen auch schon mal, dass sie für die Transportkosten ihrer Waren etwas verlangen sollten.
Es wird gemunkelt, dass sich die UNO in den nächsten 2 Jahren grösstenteils aus Timor Leste zurückziehen wird. Nach Jahren der UN Besetzung exgüsi Unterstützung, würden die Timoresen mit dem Problem des Wegfalls ihrer wichtigsten Einnahmequelle (der Beherbergung der UNO) alleingelassen.
Tour de Timor
Inspiriert durch die jährlich stattfindende Tour de Timor, gemäss dem Veranstalter, dem härtesten Mountainbike Rennen der Welt, starten wir unsere Rundreise entlang der Nordküste Richtung Baucau, der zweitgrössten Stadt Timor Lestes. Die Strasse ist von Schlaglöchern geprägt, doch meist asphaltiert. Die Steilheit zwingt uns einige Male aus dem Sattel, aber wir haben ja Zeit. Die Küstenlandschaft ist traumhaft, mittags baden wir in menschenleeren Buchten, wir kaufen fritierte Bananen und campieren mit Meersicht. Die 20 km Steigung vor Baucau machen uns langsam. Die Stimmung in der Bevölkerung ändert sich etwas, wir werden begrölt, um Wasser angebettelt und in jedem Dorf folgt uns eine kreischende Kinderschar: Malaaai, Malaai, Ausländer, Ausländer. Wir fühlen wir uns nicht gerade willkommen. Als mir ein kleiner Racker dann auch noch Bananen vom Gepäckträger stiehlt platzt mir der Kragen. Ich renne dem Dieb nach, der sich in seinem Haus versteckt. Wütend gebe ich den verdatterten Eltern zu verstehen, was passiert ist. Auch ohne gemeinsame Sprache rücken sie verlegen des Sohnes ,Diebesgut, raus. Von nun an verpacken wir alles Essbare in den Taschen.
Als wir in Baucau einfahren, herrscht buntes Treiben. Anlässlich eines katholischen Festtages (ev. Pfingsten?) zieht eine Menschenprozession durchs Städtchen. Weissgekleidete Nonnen, kreuztragende Gläubige, sonntagsröckchentragende Mädchen mit ihren Familien. Es wird gesungen, bedetet und andächtig geschaut. Ja, die Portugiesische Kolonialmacht hat in Timor Leste gute Missionarsarbeit geleistet.
Ueber die Berge in den Süden
Wir sind früh unterwegs, denn morgens sind die Kinder in der Schule und das nervenraubende Malaai Geschrei bleibt aus. Nachmittags trudeln wir im Bergdörfchen Venilale ein. Wir möchten hier im Kloster übernachten. Nicht etwa aus religiösen Gründen, nein, die Kirche besitzt in Timor Leste das flächendeckenste Unterkunftsangebot. Wir logieren im hochsauberen Gästezimmer, ein Bett mit Springmatraze und weissen Laken, Luxus pur. Die Mutter des Klosters ist weltgewandt, es ist eine Freude mit ihr plaudern.
Von nun an ist die Strassen schlecht. Nach jeder Regenzeit müssten sie eigentlich saniert werden. Aber seit einigen Jahren wird in diesen Teil des Landes nur noch wenig Geld investiert. Es ist das Land der Fretilin, jener Rebellen, die das Land während dem Krieg gegen Indonesion so tapfer verteidigt haben. Heute sind die Anhänger aufständisch gegen die Regierung. Sie sind eine Minderheit und zudem eine Bergbevölkerung, oft ohne Schulbildung, mausarm und wie uns erscheint ziemlich wild.
An der Südküste erreichen wir die Stadt Viqueque, dem so ziemlich hässlichsten Ort, in dem wir je übernachtet haben. Entlang der schlammigen Strasse stehen Häuser, die ihren Unrat direkt in den parallel fliessenden Fluss leiten oder schmeissen. Schweine und Ratten überall.
Zurück im Territorium der Kroks
Das Klima an der Südküste gleicht dem in Darwin. Auch soll es hier immer wieder Unfälle mit Krokodilen geben. Die Einheimischen meiden die Mangrovenregionen und ausser den Fischern in ihren Booten, wagt sich niemand nahe ans Meer. Das Krokodil gilt, auch nach harter J Missionsarbeit, immer noch als die Schöpferin der Insel, welche nicht erzürnt werden soll. Dies alles wird uns allerdings erst Tage später erklärt, nämlich als wir unsere Verwunderung schildern, dass wir jeweils die wunderschönen Strände ganz für uns allein hatten. Tja ….
Schlammschlacht
Die Strassen im Süden sind in unglaublich schlechtem Zustand. Für mehr als zweirädrige Fahrzeuge gibt es auch jetzt in der Trockenzeit kein Durchkommen. In der Regenzeit ist diese Region von der Aussenwelt abgesschnitten. Das Queren von Flüssen ist noch eine der angenehmeren Streckenabschnitte. Oft bewegen wir uns in knöcheltiefem Morast. Es versteht sich, dass wir unsere Räder schieben. Ab und zu versucht ein Einheimischer mit seinem Motorrad durchzukommen. Dann spritzt der Schlamm in alle Richtungen. Irgendwann steht die Strasse dann schliesslich für rund einen Kilometer im metertiefen Schlammwasser. Hier weichen Fussgaenger, Töfflifahrer und wir auf den erhöhten Morast neben der Strasse aus. Wir zerren an unseren Velos, deren Räder bald blockieren. Die Sitation ist zum verzweifeln komisch, wir lachen zusammen mit den Einheimischen. Am nächsten Wasserloch putzen wir dann alle unsere Vehikel und starten das Prozedere von vorne. Wiedereinmal wird mir klar, wie sehr sich meine westliche Einstellung von der der Einheimischen unterscheidet. Ihre kurzfristige Denkweise, das Akzeptieren von Begebenheiten, es gibt kein Klagen und Lamentieren, aber auch die Starrheit ihrer Gedankenwelt und Innovationsarmut erscheint mir prägend.
Auf unerfreuliche Begegnungen folgt …..
An einem Nachmittag, verlassen wir die Südküste und radeln wieder Richtung Norden, rauf in die Berge. Unser anfänglicher Plan, das auf 500 Höhenmetern liegende Dorf Same, mit seinen Unterkunftsmöglichkeiten, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu erreichen, erscheint bald unmöglich. Die Strasse ist teils wieder so steil, dass wir schieben müssen. Ab und zu helfen uns Kinder mit viel Eifer dabei. Nur die halbwüchsigen Burschen machen uns auch hier das Reisen schwer. Wir werden beschimpft, belacht, auch schon mal mit etwas beworfen. Immer wieder jagen sie uns hinterher, um etwas zu stehlen oder einfach um eine Reaktion zu erzwingen. Unsere Nerven liegen nach dem anstrengenden Tag blank und immer noch gehts steil bergauf.. Irgendwann wird es Gaets zu bunt. Er steigt vom Velo und packt den erstbesten Jüngling am Kragen. Dieser duckt sich bald wimmernd, da ihn Gaets lautstark beschimpft und sein Shirt immer noch in festem Griff hat.. In einer Riesenhysterie stehen nun 20 weitere Burschen um das Paar, ratlos wie sie ihren Kumpanen aus der misslichen Lage befreien könnten. Ich beobachte das Szenario aus etwas Entfernung und hoff auf ein glimpfliches Ende. Glücklicherweise zeigt sich bald ein etwas älterer Mann als Vermittler und entschuldigt sich in Englisch für das Benehmen der Jungen.
… eine erfreuliche Begegnung oder die Rettung
Gehetzt vom unfreundlichen Klima, der einbrechenden Nacht und den nicht vorhandenen Campmöglichkeiten erreichen wir schliesslich in völliger Dunkelheit Same. Die letzte Stunde habe ich gegen Tränen angekämpft und lasse sie nun vor Erleichterung rollen. In einem hellerleuchteten Haus erkundigt sich Gaets nach einem Hotel. Die Ueberraschung ist gross, als ihm gleich auf Franzöisch geantwortet wird. Valentin ist ein Franzose mit marokkanischen Wurzeln und arbeitet für ein Agrar Hilfswerk in Same. Er lädt uns ein die Nacht im Haus des Hilfswerks zu übernachten. Bald schon erhitzt er uns einen Rieseneimer Heisswasser für die Dusche, denn wir zittern unterdessen wie Espenlaub. Wir dürfen im freistehenden Zimmer eines Kollegen übernachten und sein Arbeitskollege Matthieu kocht uns einen feinen Znacht.
Trotz unserer Erschöpfung diskutieren wir bis spät in die Nacht hinein und erfahren viel über ihre Arbeit und Erfahrungen in Timor Leste. Vorallem mit Cecile, der Kollegin der Beiden, verstehe ich mit prima. Als uns die Drei anbieten, nächstentags mit dem Jeep des Hilfswerks nach Dili zu fahren, ändern wir unsere Pläne spontan. Wir haben genug! J’en ai marre!
Vom Pläneschmieden und Werweissen
Schon seit Monaten fällt unser Diskussionsthema immer wieder auf den Fortgang unserer Reise. Vorallem in Australien ist uns bewusst geworden, dass wir etwas reisemüde geworden sind. Wir begegnen den Menschen und Naturschönheiten nicht mehr mit allzuviel Enthusiasmus, wir vermissen unsere Familien und Freunde zu Hause und sehnen uns nach einem Heim und Geborgenheit. Nach fast 2.5 Jahren auf der Achse scheinen mir diese Bedürfnisse ,normal,, irgendwann mussten sie ja kommen. Nun nach unserer Reise durch Timor ist unser Reisehunger allerdings wieder geweckt. Wir freuen uns auf zwei interessante Monate in Indonesien.
Zurück in Dili fassen wir deshalb einen Entschluss: Nach etlichen Stunden Rechere im Internet und tatkräftiger Unterstützung von zu Hause (danke Peeti!!!) buchen wir unseren Flug nach …. Lima, Peru!!! Die Erleichterung, dass das Werweissen endlich ein Ende hat, hat inzwischen in eine heftige Vorfreude auf den neuen Kontinent umgeschlagen. Flugdatum ist der 21.8., Südamerika, wir kommen!
Ich freue mich jetzt schon wieder über spannende Berichte aus Südamerika!
AntwortenLöschenIch lese selten Bücher - würde mir aber gerne eines mit deinen Reiseberichten kaufen. :-)
Wünsche weiterhin viiiiele schöne Momente...
Hee merci fuer die Blumen :-)) Bisch denn du dae Rene us Wil?? lg
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