Nun sind wir also im aus den Schlagzeilen bekannten Bangladesh : Cyclons und Ueberschwemmungen mit Hunderttausenden von Toten, Hungersnöte, Epidemien, Kinderarbeit und Armut. Bangladesh, seit Ende der Kolonialherrschaft in Indien (1947) genanntes Ostpakistan, mit harterkämpfter Landessprache Bengali (1952) und noch härter erkaempften Unabhaengigkeit von Pakistan seit 1972.
Menschen überall ..
Es ist - nach Monaco, Singapur und Malta - das Land mit der höchsten Bevölkerungsdichte der Welt. Wo auch immer wir sind, wir sind nie allein. Ein Pipistop in der Natur wird zur Challenge. Will ich unbeobachtet sein, muss ich mich sputen. Denn schon zwei Minuten nachdem ich den Fuss auf den Boden gesetzt habe, stehen die ersten Neugierigen bei uns. Weitere zwei Minuten später sind es 10 Leute und wenn wir bis dann noch nicht weg sind, stehen da bald zwischen 30 und 100 Menschen, die uns mit erstaunten Augen und fragenden Gesichtern anstarren. Die Person mit den besten Englischkenntnissen wird sich dann erkundigen, woher wir kommen: ‘Your Country ?’ Dann wiederholen wir dreimal unser Land, immer mit verschiedener Tonation (Switzerland, Suissarläänd, Swizzzerland oder so), irgendwann wird es verstanden (aaah Süsserläänd) und sofort mit einem Riesensmile an die weitere Audienz weitergegeben. Die nächste Frage ist dann : ‘Why you here in Bangladesh?’ Wenn wir erklären, dass wir Touristen sind, ist ihnen noch lang nicht klar, was das heissen soll. Der Tourismus steckt hier noch in den allerkleinsten Kinderschuhen. Mit der Zeit begreifen wir auch, dass die Dorfbevölkerung meist noch nie Weisse life gesehn hat, geschweige denn auf einem Velo, noch dazu eine Frau mit dabei, die so gross ist und obwohl wir ‘husband’ und ‘wife’ sind, keine Kinder haben. Wir werden bewundert, angehimmelt und wir sind peinlich berührt, weil wir eigentlich nicht auffallen wollen und uns lieber inkognito unter die Menschenmasse mischen wuerden. Oft ist es der Lehrer, der Mullah oder ein Businessmann, der mit uns spricht. Sie sind misstrauisch, vermuten in uns Missionare und sind erleichtert, wenn wir ihnen von unserer Reise erzaehlen.
Geweckt vom Ruf des Muezzins
Bangladesh ist ein Muslimisches Land, die Landesreligion ist der Islam, rund 85% der Menschen sind Muslims. Ich habe mir eine flattrige Bluse zugelegt, ein Kopftuch trage ich wenn mein Bauchgefuehl sagt, es waere angebracht. Manche Hotels wollen nicht, dass wir als Paar uebernachten. Es wird nach unserem Heiratszertifikat gefragt, nach unserer Religion, manchmal lehnt man uns ganz ab.
Excuse me ... is there a Hotel ?
Mangels Hotels uebernachten wir zweimal in einem NGO. Diese Nicht Regierungs Hilfswerke verfügen meist über einen Gästeraum und freuen sich über ausländischen Besuch und die kleine zusätzliche Einnahmequelle. Wir werden zum Tee eingeladen und später zum Badmintonspiel. Was wir zunächst ahnungslos als echli ‘Federbälele’ annehmen, endet in einem äusserst ehrgeizig gespielten Doppel mit zwei Muslimischen Ladies, die uns das fürchten lehren. Auf die Frage ob wir einen Guide haben, erkläre ich mit Augenzwinkern, dass Gaets mein Guide ist. Als die Cheffin entgegnet, dass ich doch auch SEIN Guide bin, realisiere ich, wie hart hier für Gleichberechtigung gekämpft wird. Ob in der Ausbildung, bei Hilfswerken oder seinerzeit im Unabhängigkeitskrieg, die Bengali Frauen sind äusserst emanzipiert und stolz auf ihre Frauenbewegung. Als ich erzähle mich mit dem Computer auszukennen, bekomme ich sofort eine Arbeitsstelle angeboten.
Eine andere Art der Fortbewegung
Da auch in der Trockenzeit ein riesiger Teil von Bangladesh mit Wasser bedeckt ist, nehmen wir ab und zu ein Boot um weiterzukommen. Diese kleinen Flussboote sind meist hoffnungslos überfüllt, aber es ist herrlich auf dem Strohdach zu hocken und den Blick über das im Dunst liegende Flachland gleiten zu lassen. Unsere erste Bootsfahrt endet leider ziemlich aprupt mit einem Motorschaden im Nirgendwo. Wir nehmen uns ein Beispiel an unseren fröhlichen Mitgefährten und harren geduldig eine Stunde aus, bis der Schaden behoben ist. Zwar sind wir inzwischen von der Strömung etwas abgetrieben worden, aber zum Trost lernen wir einige liebe Menschen kennen, die uns später zu einem Schlafplatz verhelfen.
Rush Hour in der Dorfbeiz
Unser erster Abend im einfachen Dorfresti verläuft wie folgt Das zuvor fast leere Lokal füllt sich präzis mit unserer Ankunft. Die besten Plaetze sind an den Tischen. Aber dort darf nur sitzen bleiben, wer auch konsumiert. So gibt es alle paar Minuten einen Wechsel, es wird geschubst, gelacht, geschrien. Wer keinen Sitzplatz hat, steht einfach im Lokal oder zumindest davor. Um uns herum wird es dunkel, der Laermpegel ist immens. Im Turnus kommt so das halbe Dorf um uns zu begutachten. Wir schätzen so um die 500 Leute. Unsere Gefühle wechseln von eingeschüchtert sein, über Aerger bis zur Belustigung und Freude. Die Plätze uns gegenüber sind besonders begehrt, aber dort darf nur sitzen, wer auch wirklich Englisch spricht. Sogar ein Soldat kommt um uns zu sehen. Er bedauert, dass er nicht so gut English spricht, erzählt uns, dass er als in zwei Monaten zu einem Einsatz in den Kongo fliegt. Nun bin ich erstaunt: Ein Entwicklungsland schickt seine Soldaten nach Afrika, um dort die Lage zu stabilisieren? Er ist stolz, sagt es ist nur ‘a little bit dangerous’ und es sei gut bezahlt. Unser ganzes Dinner dauert eine halbe Stunde. Danach sind wir geschafft und flüchten in die Sicherheit der RDSR (Hilfswerk), wo der Pförtner schon auf uns wartet und sorgfaeltig das Tor hinter uns schliesst. Die Eskorte, die uns bis dorthin begleitet hat klebt noch lange auf der anderen Seite des Tors und versucht dem Pförtner einige Informationen üeber uns zu entlocken.
Acker Kunst
Die Art der Betreibung der Landwirtschaft begeistert uns. Reissetzlinge werden im Akkord und mit Hilfe einer Schnur, eben genau schnurgerade, gesetzt. Für andere Setzlinge gibt es ein Erdhügelchen mit einer Vertiefung in der Mitte. Das Bewässerungskonzept erscheint uns ziemlich ausgeklügelt und flexibel. Wir, die Laien sind voll Bewunderung, alles scheint perfekt, effizient und erfolgreich. Die Auswahl an Gemüse und Früchten ist enorm, die Distribution gut organisiert.
Umweltbewusstsein
Aber auch andere Bereiche begeistern uns in Bangladesh. Das Land nimmt den Umweltschutz sehr ernst: Es gibt keine Plastiksäcke im ganzen Land, man benutzt Tüten aus alten Zeitungen oder den eigenen Sack. In der Hauptsadt Dhaka sind Benzin und Dieselfahrzeuge verboten. Die CNG (Gas) betriebenen Fahrzeuge sind bereits weit über die Stadtgrenze hinaus – teilweiso sogar bis zur Landesgrenze hin - verbreitet. Das ganze Land ist um einiges sauberer als sein Nachbar Indien. Und nicht zuletzt gelang es diesem Muslimischen Land die Geburtenrate von 7 (1970) auf 3 Kinder pro Familie zu senken.
Another Megaphoooon !!!
Während unserer drei Wochen in Bangladesh herrschen Wahlen. Velorikschas mit riesigen Megaphonen verkünden die Wichtigkeit der Teilnahme und die Anliegen der Kandidaten. Das gesamte Land ist tapeziert mit Plakaten, jeder Kandidat hat ein zugeteiltes Symbol. So gibt es den Ananas-Mann, die Buch-Frau oder den Güggel-Mann, damit auch die Analphabeten ihre Wahl abgeben können. Es gibt Informationsstände, Demos, öffentliches Beten. Die Polizei ist in Alarmbereitschaft, es herrscht Ausnahmezustand.
DANGER !
Auf den Strassen ist es gefährlich – nicht nur für uns. Nirgendwo auf der Welt sterben so viele Menschen im Strassenverkehr wie hier. Die Kombination von viel zu schmalen Strassen, zu vielen Leuten, zu vielen Rikschas und den rücksichtslosen Busfahrern ist der Grund. Wenigstens gibt es ausser in der Hauptstadt kaum private Autos, was wohl die Buschauffere noch in ihrem Machtstatus bestätigt. Wir hatten bereits zwei kleine Unfälle, Gaets Taschen werden von einem passierenden Fahrzeug aufgeschlitzt und sein Velo muss zusammengeschweisst werden. Ich kollidiere auf einer Brücke mit dem Trottoir und habe schurig Schwein, dass ich nicht von einem Bus überrollt werde. Wir radeln mit Vorsicht, flüchten bei jedem Anzeichen von Gefahr in den Strassengraben und haben einen Adrenalinschub nach dem anderen.
Nun sind wir in Dhaka, von hier aus werden wir mit einem der bekannten Dampfschiffen Richtung Indien fahren und dann in einigen weiteren Tagesetappen nach Colcutta radeln. Wir logieren in einem Mittelklassehotel, es ist nicht ganz einfach in Dhaka eine Unterkunft zu finden, die meisten Hotels dürfen seit neuestem keine Ausländer mehr beherbergen. Angst vor Terroranschlägen ... wir wissen nicht, ob dies wirklich der Grund ist. In ‘unserem Quartier’ sind wir nun schon bekannt. Jeder weiss, woher wir sind und dass wir die mit den Cycles sind. Der Kioskbesitzer vor dem Hotel fragt uns nach unserer Zimmernummer, nur damit er etwas mehr zu erzaehlen weiss, wenn seine Kunden in den Laden kommen.
Gestern haben wir uns in einem Ruderboot auf dem dreckigsten Fluss, den ich jeh gesehen habe, herumchauffieren lassen. Eine der Touristenattraktionen in Dhaka. Wir haben dann auch tatsächlich den ersten Touristen getroffen, seit wir im Land sind. Am Hafen hat man uns stolz erklärt, dass täglich mindestens (oder doch wohl eher maximal) 10 Touristen herkommen, um in den Booten im stinkigen Fluss herumzutreiben.
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